Der junge Mann mit Hummeln im Arsch

Publish date: 2024-12-06

Oliver Scheel, Sie gehörten 1993 zu den Grün­dungs­mit­glie­dern des HSV Sup­porters Club. Um was ging es der Gruppe?

Oliver Scheel: Zunächst mal wollten wir ver­meint­liche Klei­nig­keiten ver­än­dern. Wir nahmen uns etwa der bis dahin stief­müt­ter­li­chen Pla­nung von Aus­wärts­fahrten an. Oder wir küm­merten uns um die Orga­ni­sa­tion von Ama­teur­spielen, wir stellten Ordner, ver­kauften Wurst. Wenn man zuvor als ein­zelner Fan oder gewöhn­li­cher Fan­klub bei den Ver­eins­ver­ant­wort­li­chen vor­sprach, kam man sich nicht selten vor wie ein Bitt­steller. Das wollten wir ändern. Die ein­zige Mög­lich­keit, etwas zu bewegen, sahen wir darin, selbst eine Abtei­lung des Ver­eins zu werden.

Eine fan­klub­über­grei­fende Orga­ni­sa­tion war bis dato ein­zig­artig in Deutsch­land. An wel­chen Modellen ori­en­tierte sich der HSV Sup­porters Club?

Oliver Scheel: An den Sup­porters Clubs in Eng­land, dort gab es solche Ver­ei­ni­gungen bereits seit vielen Jahren. Anfangs wurde unsere Gruppe von vielen alten HSV-Mit­glie­dern skep­tisch gesehen. Doch je mehr wir machten, desto mehr posi­tive Feed­back erhielten wir. Die Sup­porters News“, unsere Abtei­lungs­zei­tung, war dabei ein wich­tiges Sprach­rohr, mit der wir auch kon­struk­tive Kritik an Ver­eins­po­litik üben konnten.

1996 kan­di­dierten Sie gemeinsam mit Chris­tian Rei­chert zum Auf­sichtrat. Woran schei­terte die Wahl?

Oliver Scheel: Wir haben damals Kritik aus den eigenen Reihen bekommen, denn die Kan­di­datur wirkte auf viele wie ein Affront gegen den amtie­renden Prä­si­denten Uwe Seeler. Die Leute hatten Sorge, dass im Kon­troll­gre­mium keine vor­ge­schla­ge­nenen Kan­di­daten von Seeler sitzen, son­dern ver­meint­lich sub­ver­sive Fans. Den­noch konnte man die Reak­tionen nicht mit der Hys­terie ver­glei­chen, die anno 2009 rund um Johannes Lieb­naus AR-Kan­di­datur herrschte. Es gab sogar TV-Berichte, zum Bei­spiel im NDR, die durchweg positiv waren.

Heute hat der Sup­porters Club knapp 60.000 Mit­glieder – so viel wie keine andere Fan­or­ga­ni­sa­tion eines Bun­des­li­gisten. Was bedeutet das für die aktu­elle Ver­eins­po­litik?

Oliver Scheel: Das hängt immer davon ab, wie geschlossen sich die Mit­glieder posi­tio­nieren, denn im Sup­porters Club sitzen die unter­schied­lichsten Fans. Vom Rechts­an­walt und Logen-Besu­cher über den Bau­ar­beiter und Fleisch­fach­ver­käufer bis zum Stu­denten und Ultra auf den Stehr­ängen ist alles ver­treten. Was man bewirken kann, wenn man als Kol­lektiv auf­tritt, zeigte 2005 die Debatte zur Aus­glie­de­rung. Der Vor­stands­vor­sit­zende Bernd Hoff­mann wollte damals die Pro­fi­fuß­ball­ab­tei­lung in eine GmbH oder AG aus­glie­dern, sehr zum Unmut vieler Mit­glieder. Bei der Ver­an­stal­tung, auf der er dieses Vor­haben prä­sen­tierte, zeigten sich die Mit­glieder unter­ein­ander soli­da­risch. Das Vor­haben wurde gestoppt. Die Aus­glie­de­rung wurde bis auf wei­teres ver­schoben.

Sie waren damals Abtei­lungs­leiter des Sup­porters Club. Johannes Liebnau war Ihr Stell­ver­treter. Wie arbei­teten Sie zusammen?

Oliver Scheel: Ich kannte Jojo bereits seit 2002. Wir har­mo­nierten sehr gut. Ich war der etwas ältere Jurist, etwas tro­ckener, er der junge Mann mit Hum­meln im Arsch. Wir sind Freunde geworden.

Heute steht Johannes Liebnau als Vor­sänger auf dem Zaun der HSV-Nord­tri­büne. Sie sind Mit­glied des Vor­standes. Har­mo­nieren Sie immer noch?

Oliver Scheel: Die Chosen Few (Ultra-Gruppe von Johannes Liebnau, d. Red.) war für mich immer eine Art außer­par­la­men­ta­ri­sche Orga­ni­sa­tion, die ich bis heute für das Ver­eins­leben als immens wichtig ansehe. Mein Platz im Sta­dion ist auch nicht weit weg von ihm und bei Aus­wärts­spielen stehe ich auch häufig im Block. Doch natür­lich sind Jojo und ich auch gele­gent­lich unter­schied­li­cher Mei­nung, etwa in Sachen Pyro­technik oder was den Stil des Sup­ports angeht. Ich stehe eher auf den situa­ti­ons­be­zo­genen bri­ti­schen Sup­port.

Wie reagierten Sie auf die Medi­en­be­richte zu Johannes Lieb­naus Kan­di­datur im Januar 2009? Als Freund oder als Vor­stand?

Oliver Scheel: Ich musste mich als Vor­stand aus der Sache raus­halten. Als Freund hatte ich mir damals aller­dings gewünscht, dass sich enga­gierte und ältere Mit­glieder schüt­zend vor ihn gestellt hätten.

Die Presse hielt ihm vor allem die Schmäh­ge­sänge in der Kurve vor. Wer Tod und Hass dem SVW“ singt, könne kein Auf­sichtsrat werden. Wie sahen Sie das?

Oliver Scheel: Natür­lich sind Wahlen auch immer von Taktik geprägt. Viel­leicht war die Chosen Few in diesem Punkt tat­säch­lich zu uner­fahren, im Vor­feld zu wenig diplo­ma­tisch.

Einige Leute warfen ihm Macht­geil­heit vor.

Oliver Scheel: Völ­liger Blöd­sinn.

Liebnau sagte, dass er auch als Mit­glied des Auf­sichts­rates wei­terhin der Capo der Nord­tri­büne bleiben wollte.

Oliver Scheel: Er wollte sich nicht ver­biegen lassen, das finde ich richtig. Ich finde auch nicht, dass sich das aus­schließen muss: Capo und Auf­sichtsrat. Die 90 Minuten im Block sollte man nie­mals zu hoch bewerten.

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