Freund der Sonne - Eine Ode auf den Leitwolf Stefan 11FREUNDE

Publish date: 2024-10-24

Mög­li­cher­weise gefällt euch dieser Text nicht, aber wisst ihr was? Das ist mir scheiß­egal, Freunde der Sonne. 

So oder so ähn­lich würde Stefan Effen­berg wohl einen Text beginnen, wäre er Jour­na­list und nicht Fuß­ball­profi geworden. Gück­li­cher­weise ist das nicht pas­siert, es gibt aktuell schließ­lich schon genug wütende Texte. Vor allem aber hätte das Land einen, wenn nicht den schil­lerndsten Fuß­baller der letzten zwanzig, dreißig Jahre ver­loren. Anläss­lich seines 50. Geburts­tags ist es an der Zeit, mal Danke zu sagen. Denn der deut­sche Fuß­ball wäre ohne ihn ein ganzes Stück lang­wei­liger.

Für jene, die es um das Jahr 2000 herum nicht mit den Bayern hielten, war Effen­berg so etwas wie der Anti­christ. Der beste Fuß­baller seiner Gene­ra­tion, und noch dazu der lau­teste, auf­fäl­ligste, der, der sich einen Tiger ins Haar rasieren konnte, wenn er wollte. Einer, den man als Fan der geg­ne­ri­schen Mann­schaft auf­richtig hassen konnte, weil man sich so einen ins­ge­heim in der eigenen Mann­schaft wünschte, auch wenn man das nie­mals zuge­geben hätte. Und weil er diesen Hass stolz vor sich her­trug, wie einen Orden auf der Brust. Als er beim legen­dären Bun­des­li­ga­spiel zwi­schen Borussia Dort­mund und Bayern Mün­chen im April 2001, dem mit 13 Karten kar­ten­reichsten Spiel der Bun­des­li­ga­ge­schichte, mit Gelb-Rot vom Platz flog, warf er dem gei­fernden Publikum auf dem Weg in die Kabine Hand­küsse ent­gegen. 80.000 gegen einen, Effen­berg sah sich in diesem Moment den­noch auf Augen­höhe, und ver­dammt, viel­leicht war er das auch. 

Die Grät­sche als Kunst­form

Mit­unter nervten seine Ecken und Kanten, die fiesen Inter­views, das stän­dige Balz­ver­halten, die häss­li­chen Fouls. Allein: In seiner Art war Effen­berg immer kom­pro­misslos ehr­lich, mit­unter schmerz­haft, außerdem unglaub­lich erfolg­reich. Eben weil er so war, wie er war. Etwa die Fouls. Effe erhob die wohl­tem­pe­rierte Domi­nanz-Grät­sche zur Kunst­form. Als sich im Cham­pions-League-Finale 2001 der Spa­nier Gaizka Men­dieta anschickte, das Spiel seines Lebens zu machen, zog ihm Effen­berg nach zehn Minuten mit einer ordent­li­chen Sense den Ste­cker. Das Ende ist bekannt. Eine ähn­liche Szene ist von Gio­vane Elber über­lie­fert, dem Effen­berg ein Foul an David Beckham im Ber­nabeu ankün­digte und prompt auch durchzog, um anschlie­ßend über dem Eng­länder zu stehen und ihn anzu­brüllen: Stand up! Play foot­ball!“. Auch Mehmet Scholl sagte einst über ein Foul Effen­bergs an Roberto Carlos (Jesses, wen hat Effen­berg eigent­lich nicht umge­hauen?), mit Effen­berg im Team fühle man sich unbe­siegbar. Dabei hatte Effe nie das Hin­ter­fot­zige eines Sergio Ramos oder das Bor­der­line-Psy­cho­pa­thi­sche seines Nach­fol­gers Marc van Bommel. Effes Fouls waren immer wie Effes Inter­views: Biss­chen unge­stüm viel­leicht, aber dafür gera­deraus, und mit Wir­kung.

Es gibt wenige, wahr­schein­lich sogar gar keine Bereiche des Lebens, in denen derlei Alpha­tier­ge­habe ange­bracht oder in Ord­nung ist, mit dem pro­fes­sio­nellen Sport als einer der wenigen Aus­nahmen. Nahezu alle ehe­ma­ligen Mit­spieler Effen­bergs, die an seiner Seite und teils auf seinen Schul­tern ihre Titel gewonnen haben, dürften das bestä­tigen, auch wenn natür­lich viele mit ihm kol­li­dierten, zumal dann, wenn sie ähn­lich große Egos hatten. Dem Pfau, dem Super­pfau, dem Effen­berg“ (O‑Ton Andreas Herzog) war das frei­lich egal, in der Kabine des FC Hol­ly­wood war er der der Star unter Stars. Wo sich Mat­thäus aus­wech­seln ließ, blieb Effe auf dem Platz. Und wenn der ganze Kahn dann doch mal absoff, so wie 1999, dann war der Kapitän (der er nicht war) wenigs­tens an Bord geblieben. Effen­berg war auch des­wegen so oft der beste, weil er das immer als selbst­ver­ständ­lich vorraus­setzte.

Ich bin der Effen­berg. Ich will hier sitzen. Ver­pisst Euch!“

Die große Tragik ist dabei, dass Effe die Sil­ber­rü­cken­men­ta­lität nie in der Kabine lassen konnte. Legendär, wie er arg­lose Medi­en­ver­treter zurecht­rückte, als wären sie ver­schüch­terte A‑Jugendliche, die ihm im Trai­ning nicht den Ball zuge­spielt hatten. Red ich mit dir? Na also“. Von Alko­hol­fahrten über Ehe­zoff bis hin zu Knei­pen­schub­s­e­reien und Gerichts­ver­fahren waren abseits des Platzes eigent­lich alle ganz großen Klas­siker des unsteten Fuß­ball­diva-Lebens­wan­dels dabei. Einen Streit im P1 soll er mal mit Ich bin der Effen­berg. Ich will hier sitzen. Ver­pisst Euch!“ anmo­de­riert haben. Und man kann ihn sich gut dabei vor­stellen, wie er einem sich ent­geis­tert den Köchel rei­benden Gaizka Men­dieta etwas ganz ähn­li­ches ent­ge­gen­giftet. 

Als er noch Fuß­ball spielte, ver­zieh man Effen­berg seine Aus­setzer und auch seine bol­le­rige Art. Nach der Kar­riere ist das nicht mehr ganz so ein­fach. Der Ein­stieg ins Trainerleben miss­lang spek­ta­kulär, mitt­ler­weile hat Effen­berg das Poten­tial, eine Erschei­nung wie Mario Basler oder Lothar Mat­thäus zu werden. Er hätte es ein­fa­cher haben können, wenn er gelernt hätte, hier und da mal auf die Bremse zu treten.

Aber ver­dammt noch mal, das wäre doch lang­weilig gewesen. Alles Gute zum 50. Geburtstag, Stefan Effen­berg. 

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